Biozyklisch-veganer Anbau – wie alles begann
1920-1930
Pionier*innen der Landreform legten bereits in den 20er und 30er Jahren den Grundstein für den biozyklisch-veganen Anbau. Der „Natürliche Landbau“, welcher eine Bewirtschaftungsform innerhalb der Lebensreform in den Zwischenkriegsjahren darstellt, ist in seinen Idealen dem biozyklisch-veganen Konzept sehr ähnlich. Gelebter Vegetarismus und damit einhergehend kaum bis gar keine Tierhaltung bei biologischer Bewirtschaftung mit dem Ziel, eine hohe Lebensmittelqualität zu erreichen, kennzeichnete dieses Anbausystem. Dabei bildete ein biologisches Verständnis von Bodenfruchtbarkeit und die Entdeckung der Wichtigkeit von Bodenmikroben die Basis für Bodenbearbeitung und Düngung. Alle organischen Abfälle des Betriebs, Kompostwirtschaft, Gründüngung und teilweise sogar die Rückführung menschlicher Fäkalien bildeten die Hauptbestandteile der Düngung; auch Gesteinsmehle kamen zum Einsatz, zudem wurden Leguminosen angebaut.
Damals kommunizierten „lose“ Zusammenschlüsse über eine erste Zeitschrift („Bebauet die Erde“), einzelne Personen engagierten sich und veröffentlichten Schriften zu Themen wie der Bodenfruchtbarkeit im viehlosen System.
BEBAUET DIE ERDE, Ausgabe 4, 17. Jahrgang, April 1941
Anfang des Jahres 1928 wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die sich vor allem Forschungs- und Beratungsaufgaben widmete und bereits 1936 deutschlandweit organisiert war. Auch in der Schweiz gab es Bestrebungen, die Grundgedanken des „Natürlichen Landbaus“ zu verbreiten. Es wurden mehrere Schulungsstätten errichtet, in welchen Lehrgänge und Tagungen zu biologischem Landbau stattfanden. 1930 wurde ein Zertifizierungssystem mit Richtlinien, Kontrollen und der Vergabe eines Markenzeichens eingeführt.
1950-1975
Die von Ewald Könemann, einem Hauptakteur der Bewegung des „Natürlichen Landbaus“, erarbeiteten Richtlinien wurden in den 50er Jahren von eben diesem weiterentwickelt und ein neuer Verein gegründet. Dr. Hans Peter Rusch prägte den Begriff vom „Kreislauf der lebenden Substanz“ als ganzheitliche Grundlage und vertrat den Ansatz, dass es ohne ein intaktes Bodenleben und das Wiederherstellen natürlicher Gleichgewichte keine Fruchtbarkeit geben kann.
Als Adolf Hoops im Jahre 1953 einen Gartenbaubetrieb in der Lüneburger Heide pachtete, um ihn biologisch zu bewirtschaften, konnte er noch nicht ahnen, dass seine Erkenntnisse und Anbauerfahrungen zum Thema Bodenfruchtbarkeit und Mischkultur fast 50 Jahre später die Grundlage für den biozyklisch-veganen Anbau bilden würden. Viele Generationen von Auszubildenden und an Neuem interessierten Menschen hatten die Chance, im „Bio-Modell Walsrode“, wie sein Betrieb später von den zahlreichen Besucher*innen aus Wissenschaft und Praxis genannt wurde. zu erleben.
1990-2015
Die biozyklisch-vegane Landwirtschaft hat ihre Wurzeln auch in Großbritannien. Dort existiert seit 1996 die internationale Organisation Vegan Organic Network.
Gemeinsam mit der britischen Soil Association und weiteren Beteiligten verabschiedete das VON im Jahre 2004 die „Stockfree-Organic-Standards“, welche Anbaurichtlinien für bio-vegan wirtschaftende Landwirt im Jahre 1999 der österreichische Verein „BioVegaN“ (Biologisch-Veganes Netzwerk für Garten- und Landbau) gegründet. Dieser betrieb die Internetseite www.biovegan.org, gab bis zum Jahr 2005 regelmäßig die Zeitschrift „Regenwurm“ heraus und arbeitete eng mit dem englischen Vegan Organic Network zusammen. Dieses versteht sich als offene Informations-, Austausch- und Vernetzungsplattform für alle, die bio-veganen Landbau praktizieren oder daran Interesse haben. Das informelle deutsch-österreichisch-schweizerische Netzwerk hat den Begriff „bio-vegan“ maßgeblich geprägt und fordert eine Loslösung vom Dogma der Notwendigkeit der Verwendung tierischen Düngers im Ökolandbau.
Bernd Kugelmann, Öko-Landwirt in der Pfalz, stellte seinen 48ha großen Gemüsebaubetrieb im Jahr 2014 auf bio-vegane Bewirtschaftung um, nachdem er im Zuge der EHEC-Krise seine zugekauften tierischen Handelsdünger testen lies und erhebliche Keim-, Schwermetall- und Antibiotikabelastungen feststellen musste. Er ließ die bio-vegane Produktion im Jahr 2014 patentieren, erarbeitete sich ein eigenes Kompostierungsverfahren und experimentierte mit Schwarzerde und pflanzlichem Biogas-Substrat. Nach intensiver Zusammenfassung unter Mithilfe von Fachstudierten und Praktikanten, aller bis 2014 aktuellen Forschungsberichten aus ganz Europa und Südamerika (Schwarzerde der Majas) bekam Bernd Kugelmann 2015 das Patent über die landwirtschaftliche Erzeugung eines veganen Lebensmittels. Aus dieser Bündelung des Patents von Bernd Kugelmann entstand unter der Mitwirkung weiterer Beteiligten die Biozyklisch vegane Anbaurichtlinie, die wir heute kennen.
Auch bildete sich im Jahr 2014 in Berlin eine Strategiegruppe, in welcher neben dem BVN auch Tierrechtsorganisationen wie die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt sowie der Vegetarierbund Deutschland vertreten war. Diese organisierte im November 2015 die bio-veganen Landbautage auf Burg Lohra in Thüringen, bei denen sich verschiedenste Akteur*innen vernetzen und zum Thema weiterbilden konnten. Auch Bernd Kugelmann nahm teil.
Mehrere Abschlussarbeiten wurden an deutschen Hochschulen zum Thema verfasst, engagierte Personen aus dem BVN hielten Vorträge und gaben Workshops. Zu den Betrieben, die im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren erfolgreich bio-vegan produzieren, gehört beispielsweise Margarete Langerhorst (und ihr bereits verstorbener Mann Jakobus), welche in Österreich seit nunmehr über 40 Jahren einen veganen Mischkulturgarten betreibt oder der Gärtnerhof Bienenbüttel, dessen Praktiker*innen sogar auf sandigem Boden in der Lüneburger Heide seit vielen Jahren erfolgreich bio-vegan wirtschaften.
2016-heute
Im Jahre 2016 gründete Bernd Kugelmann mit Berufskolleg*innen in der Pfalz den bio-veganen Anbauverein. Daraufhin wurden die von dem neu gegründeten Vegan Verein in Kandek entwickelten Biozyklischen Richtlinien im Hinblick auf die Betonung veganer Aspekte und das konsequente Verbot der Nutzung von Tieren und des Einsatzes von Betriebsmitteln tierischer Herkunft überarbeitet und in Anlehnung an die „IFOAM Norms“ zu einem „stand-alone-standard“ ausgebaut.
Seit dem Jahr 2017 nennt sich der Verein „Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.“ und ist seit Anfang 2018 gemeinnützig. Seit Mai 201 sind Biozyklisch Vegane Lebensmittel ausschließlich mit dem neuen Vereinssiegel gekennzeichnet und heben sich damit eindeutig von nicht zertifizierter und patentierter Ware ab.
Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, diese nachhaltige und äußerst tierethische Form der Landbewirtschaftung bekannt zu machen, zu fördern und sich für eine Verbreitung im deutschsprachigen Raum stark zu machen. Aufgaben sind die Beratung und Unterstützung von umstellungsinteressierten Betrieben, die Aufklärung von Verbraucher*innen über diese besondere Form der Lebensmittelproduktion sowie die Verankerung der Thematik in die landwirtschaftlichen und ernährungspolitischen Debatten im deutschsprachigen Raum. Die nunmehr Biozyklisch-Veganen Richtlinien gehen in weiten Bereichen über die EU-Öko-Verordnung hinaus und wurden nach erfolgreich verlaufener Evaluierung im November 2017 in die sogenannte Family of Standards der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) aufgenommen.
Biozyklisch-vegan kontrolliert und zertifiziert sind seit Ende 2017 in Deutschland zwei Betriebe und es werden weitere folgen. Die PfalzBio GbR, der Gemüsebaubetrieb von Bernd Kugelmann in Kandel in der Pfalz darf sich nun biozyklisch-vegan nennen und ihre Produkte seitdem mit dem Siegel „Biozyklisch-Veganer Anbau“ kennzeichnen.